Ganztagsunterricht – pro und contra

Ungefähr jede(r) dritte Schüler/in besucht derzeit eine Ganztagsschule. Die Nachfrage nach einer ganztägigen Betreuung ist weiterhin hoch, der Ausbau der Ganztagsplätze hat sich jedoch verlangsamt. Die Ganztagsschule ist und bleibt ein Schwergewicht unter den konträr geführten bildungspolitischen Themen. Wir wollen hier kein Votum für oder gegen den ganztägigen Unterricht abgeben, sondern die Vorzüge und Nachteile aufzeigen.

Für den Ganztagsunterricht spricht:

1. Für eine höhere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. für Alleinerziehende bietet der  Ganztagsunterricht eine Entlastung.
2. Die Hausaufgaben werden unter Aufsicht und Anleitung erledigt.
3. Die finanzielle Situation der Eltern rückt bei Leistungsmängeln in den Hintergrund, weil eine Unterstützung für alle Schüler/innen geleistet werden kann.
4. Für die Schüler/innen bedeutet es, dass sie weniger Druck haben und mehr zeitlichen Spielraum. Sie können verstärkt ihre Mitbestimmungsrechte in der Schule wahrnehmen.
5. Die Schüler/innen halten sich länger in der Obhut der Schule auf und unterliegen so weniger der Gefährdung von äußeren Einflüssen wie Alkohol, Drogen, Konsumverführungen.
6. Im Ganztagsunterricht wird das Zusammenleben von Schülern/innen mit sozial und kulturell unterschiedlicher Herkunft intensiviert. Schüler/innen mit Migrationshintergrund können schneller Kontakte knüpfen und die Sprache erlernen.
7. Die Schule hat ein erweitertes Bildungsangebot und vernetzt sich mit externen Partnern. Dieses führt zu einer Öffnung der Schule in ihrem Umkreis. Es führt ebenfalls zu Angeboten für die Schüler/innen, zu denen sie sonst keinen Zugang erhalten würden.
8. Im Rahmen des Ganztagsunterrichts wird ein ausgewogenes, gesundes Mittagessen angeboten.
9. Soziale Kompetenzen können besonders gefördert werden, dass Auswirkungen auf eine Verbesserung des Schulklimas hat.
10. Lehrkräfte und Schüler/innen treffen in unterschiedlichen Lernsituationen aufeinander. Zum Einen im Unterricht und jetzt auch bei Freizeitaktivitäten. Das fördert die Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis zwischen Schüler/innen und Lehrkräften.

Gegen den Ganztagsunterricht spricht:

1. Wenn der Tag von der Schule strukturiert wird, bleibt weniger Zeit für private Unternehmungen, wie Musik,- Tanz,- Sprachunterricht oder der langjährig besuchte Sportverein. Vorhaben der Familie rücken weiter in den Abendbereich. Es wird weniger Zeit mit der Familie verbracht.
2. Jugendliche können keinen kleinen Job zur Aufbesserung des Taschengeldes mehr annehmen.
3. Die Schüler/innen haben einen 8-stündigen Arbeitstag, das übersteigt in vielen Fällen die physische und psychische Belastungsgrenze.
4. Schüler/innen, die ausgegrenzt werden, sind jetzt noch mehr dem Gruppendruck oder dem Mobbing ausgesetzt.
5. Es gibt zu wenig Rückzugsmöglichkeiten oder Ruhezonen für die Schüler/innen, weil häufig die räumliche Ausstattung der Schule nicht in ausreichendem Maße an die Bedürfnisse des Ganztagsunterrichts angepasst ist.
6. Die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Schüler/innen sinkt, weil alle Aktivitäten und Lernphasen vorgeplant sind.
7. Die Lehrkräfte werden zeitlich stärker an die Schule gebunden. Die Anwesenheitszeiten erhöhen sich stark, sodass für die kreative Vorbereitungszeit zu Hause für den Unterricht kürzer wird. Versammlungen, Teamsitzungen und Arbeitsgruppen rücken in den Abend, das stellt eine zusätzliche Belastung dar.
8. Eltern können sich stärker ihrer Bildungs- und Erziehungsverantwortung entziehen.
9. Der Ganztagsunterricht „produziert“ höhere Kosten.
10. Der persönliche Lebensrhythmus der Schuler/innen und Lehrer/innen wird verändert, es findet eine Institutionalisierung statt.